heldenstadt.de stirbt den Heldentod – Leistungsschutzrecht #lsr in eigener Sache

Im Leipziger Blog Heldenstadt.de, das ich ohne Scham als Vorbild für die derzeitige Umsetzung von „Hello Dresden!“ benennen möchte, haben sich deren Betreiber heute in einem Beitrag dazu geäußert, welche Konsequenzen sich für sie aus dem Presseleistungsschutzrecht ergeben. Das Ausmaß ist tiefgreifend und kommt einer kompletten Einstellung von Heldenstadt.de gefährlich nahe.

Die erste Konsequenz wird bis auf weiteres sein, dass wir auf der Seite Heldenstadt.de ab sofort nicht mehr auf Texte in deutschen Presseangeboten hinweisen. Außer, es besteht nicht der geringste Zweifel daran, dass diese ihre Möglichkeit, uns zur Kasse zu bitten, nicht in Anspruch nehmen werden, weder heute noch in Zukunft.

 

Als zweite Konsequenz werden wir fast alle bisherigen Artikel aus dem Netz nehmen. Uns fehlt einfach die Zeit, um jeden einzelnen der 1.125 Beiträge daraufhin zu prüfen, ob sie der Änderung des Urheberrechts genügen.

 

Dritte und schwerste Konsequenz.
Da ein grosser Teil unserer Updates auf Meldungen in Verlagserzeugnissen basiert, würde es von jetzt an natürlich schwer werden, Postings im gewohnten Umfang rauszuhauen, schon gar nicht in der bisherigen Frequenz. Völlig illusorisch, das versuchen zu wollen, allein mit Links auf Blogs und Seiten aus dem Ausland. Deshalb haben wir beschlossen, Euch nicht mehr wie bisher täglich über das Neueste in Leipzig auf dem Laufenden zu halten.

Komplett nachvollziehen lässt sich das für mich leider nicht. Zumindest nicht, wenn ich mir vor Augen halte, wie Inhalte auf Heldenstadt.de bisher aufbereitet wurden. Ich habe das Blog nicht bis ins kleinste Detail studiert, aber bisher hatte ich immer das Gefühl, dass alle Inhalte auf Heldenstadt.de selbstständig redaktionell erstellt und eben nicht nur Texte übernommen wurden. Möglich, dass ich das falsch in Erinnerung habe.

Wie die Betreiber selbst erklären, handeln sie aufgrund der allgemeinen Unsicherheit und der ganz persönlichen Unlust sich mit streitsüchtigen Möchtegerns auseinander zu setzen. Das wiederum kann ich voll und ganz nachvollziehen. In Summe geht es genau darum. Momentan ist niemand in der Lage den genauen Handlungsspielraum einzugrenzen, wenn es darum geht, die Übernahme von kleinen Textpassagen mit einzubeziehen.

Wie groß die Rechtsunsicherheit um sich greift, sieht man selbst in den Kommentaren unter dem Heldenstadt-Beitrag. Das Entfernen alter Beiträge sei nicht notwendig, da ein Gesetz gar nicht rückwirkend Auswirkungen haben könne, schrieb owy. Ich wiederum würde behaupten, dass in diesem Zusammenhang das Datum der Veröffentlichung überhaupt keine Rolle spielt, sondern einzig das Datum des Abruf eines Medienangebotes. Über Rückwirkung müssen wir bei der Frage (bisher) nicht diskutieren.

Einen Beigeschmack hat die Diskussion um die Rückwirkung allerdings doch. Damit Gesetze nicht einfach rückwirkend in Kraft treten können gilt nämlich das Rückwirkungsverbot. Die Wikipedia weiß:

Rückwirkung würde einer der Grundbedingungen freiheitlicher Verfassungen, dem Prinzip der Verlässlichkeit der Rechtsordnung, widersprechen und ist daher grundsätzlich nicht zulässig. Jeder soll generell darauf vertrauen können, dass sein rechtmäßiges Handeln später nicht nachteilig wirkt.

 

[…]

Was aber wären Regeln ohne deren Ausnahmen. So weiß die Wikipedia auch gleich eine ganze Reihe von Ausnahmen aufzulisten

Eine Ausnahme kommt dann in Betracht:

  • wenn das Vertrauen des Bürgers nicht schutzwürdig ist, er also mit einer Neuregelung rechnen musste oder
  • wenn er berechtigterweise überhaupt nicht vertrauen durfte
  • wenn er mit der Neuregelung ausschließlich besser gestellt ist
  • zwingende Gründe des Gemeinwohls die Rückwirkung erfordern
  • ein nichtiges Gesetz durch eine neue Regelung ersetzt wird oder
  • die bisherige Rechtslage unklar ist.

Irgendwie klingt das genau nach dem #lsr, wie es uns vorliegt. Welch Ironie.

Konsequenzen für „Hello Dresden!“

Für das Angebot „Hello Dresden!“ wird das Leistungsschutzrecht der Presseverlage nach meinem aktuellen Kenntnisstand keine Auswirkungen haben. Alle Inhalte sind selbst erstellt und stellen keine Übernahme dar. Mehr muss ich dazu bisher nicht sagen.

Autor: Steffen Peschel

Steffen Peschel ist Inhaber der konzeptfreun.de und bloggt auch unter kultur2punkt0.de.

5 Gedanken zu „heldenstadt.de stirbt den Heldentod – Leistungsschutzrecht #lsr in eigener Sache“

  1. Aus den Kommentaren des Justizministeriums vor und nach der Verabschiedung des LSR geht ganz eindeutig hervor: Blogger müssen nicht zahlen, das Recht zum „kleinen Zitat“ bleibt durch das LSR unberührt. Siehe hier: http://www.bmj.de/DE/Buerger/wirtschaftHandel/ReformUrheberrecht/_doc/FAQ_Leistungschutzrecht_doc.html?nn=1356310#%5B4%5D
    Ich persönlich bin wegen des LSR gespaltener Meinung und halte es tendenziell eher für den falschen Weg, u. a. eben, weil es den Grundsatz „Die Information ist frei“ und das Recht zum „kleinen Zitat“ untergräbt. Aber all diejenigen, die hier im Dreieck springen, sollten sich nicht immer von Googles PR-Maschine verrückt machen lassen, sondern auch ab und zu mal Zeitung lesen oder in der Tagesschau zuhören, wenn Schnarri was sagt. Wem das zu analog ist, der kann sich zum Gesetzestext und seinen verbindlichen Begleit-Kommentaren durchgoogeln – ist alles im Netz eingestellt. Heiko Weckbrodt

      1. Wikipedia wäre mir in solchen Fällen einfach deshalb zu unsicher, weil ja wirklich jeder etwas dort hinein schreiben kann. Woher will ich wissen, dass das auch rechtlich verbindlich ist? Wenn in einem Wikipedia-Artikel z.B. die Färbung des Buchfinken zu ungenau beschrieben ist, sind die Konsequenzen eines so übernommenen Fehlers für mich wahrscheinlich harmlos*. Aber wenn ich mich auf eine Rechts-Aussage verlassen will, wäre für mich schon wichtig, dass die auch von Juristen stammt. Insofern würde ich mich bei allen Themen, die mit der Gefahr von Abmahnungen usw. verbunden sind, erst zuletzt bei Wikipedia informieren.

        (* Wenn ich nicht gerade meine Doktorarbeit darauf aufbaue 😉 )

        1. Ich kann deinen Hinweis nachvollziehen.
          Meines Erachtens habe ich mich aber in meiner Entscheidung in keiner Weise auf Aussagen aus der Wikipedia bezogen. Ich habe mich lediglich auf die Wikipedia bezogen, um zu näher zu bringen, was man unter Rückwirkung zu verstehen hat. Dennoch war das nur eine Randbemerkung. Im Ganzen spielt Rückwirkung beim Thema #lsr bisher keine Rolle.

Kommentare sind geschlossen.